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René Schickele
Die Flaschenpost
Biografie René Schickele (1883-1940)
René Schickeles Leben und Werk ist gleichsam ein Spiegelbild des geschichtlich-politischen Schicksals seiner Heimat, dem Elsaß. Er ist am 4. August 1883 in Oberehnheim (heute Obernai) an der elsässischen Weinstraße als Sohn eines deutschstämmigen Winzers und Polizeikommissars in deutschem Staatsdienst – das Elsaß als Folge des deutsch-französischen Krieges 1870/71 dem Deutschen Reich eingegliedert – und einer französischen Mutter geboren. Im Elternhaus sprach man ausschließlich Französisch, und so wurde die Sprache seine Mutter im wortwörtlichen Sinne seine Muttersprache in einem Vaterland, in dem die Amtssprache das Deutsche war. Die deutsche Sprache erlernte er erst in der Schule, lernte sie leicht und lieben, so daß er sie später zur Sprache seiner Dichtung und Schriftstellerei erwählte und ihr auch dann treu verbunden blieb, als das Elsaß, wiederum in Folge eines Krieges, diesmal die Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, 1919 wieder französisch und er als gebürtiger Elsässer französischer Staatsbürger wurde und dies bis zu seinem Tod am 31. Januar 1940 blieb.
Bereits zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert fiel er als junger Dichter und politischer Stürmer in Straßburg auf – seine Zeitschrift »Der Merker« wurde wegen Majestätsbeleidigung verboten. Er ging nach Berlin, wurde Herausgeber politisch-kritischer Zeitschriften, arbeitete als Journalist und Übersetzer, lebte zeitweise in Paris, im Elsaß, kämpfte für eine Versöhnung der Nationalitäten, deutsche und französische im Elsaß, wie auch zwischen Deutschland und Frankreich. Er wollte den Frieden und warnte vor dem Krieg in seinem 1914 erschienen Roman »Benkal, der Frauentröster« und mußte sein pazifistisches Engagement – noch in seinem vielgespielten Stück »Hans im Schnakenloch« aus dem Jahr 1915 beschwört er die Sinnlosigkeit eines Krieges aus dem Herzen Europas – als gescheitert ansehen, nachdem er 1916 mit seiner expressionistischen Zeitschrift »Die weißen Blätter« in die Schweiz emigrieren mußte. Und endlich war der Krieg zu Ende, es war Frieden, wenn auch ein trauriger, aber man hoffte, wie er in seinen Essays, 1922 publiziert, »Wir wollen nicht sterben!« schreibt.
»Ich grüße ihn [Alfred Kerr] von der neuen alten Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, an der ich lebe«, schrieb René Schickele 1927 in seiner »Vorrede zur Dritten Auflage« von »Hans im Schnakenloch«. Seit 1921 lebte er in Badenweiler – Badenweiler hat den Schriftsteller nicht vergessen; es gibt heute dort eine »René Schickele Grund- und Hauptschule« und einen »René-Schickele-Weg« – im Schwarzwald auf deutschem Boden mit dem »Blick auf die Vogesen«, seiner wieder französisch gewordenen Heimat, die er als Elsässer – und als Elsässer verstand er sich als ein geborener Europäer – mit ihrer deutschen und französischen Tradition – nationaler und kultureller – aussöhnen wollte. In seinem Elsaß sah er das Vorbild für ein vereinigtes friedliches Europa aller Nationen. Und in Badenweiler schrieb er sein Hauptwerk, die Roman-Trilogie »Das Erbe am Rhein«, in der er sein Thema Pazifismus und Toleranz versus Nationalismus und Krieg am Konflikt zwischen zwei Brüdern fesselnd gestaltet. Band 1 »Maria Capponi« erschien 1925 (zuerst unter dem Titel »Ein Erbe am Rhein«), Band 2 »Blick auf die Vogesen« kam 1927 heraus und Band 3 »Der Wolf in der Hürde« 1931, aber da stand Hitler schon ante portas.
Seit 1932 lebte Schickele – dichterische Vorausschau wie auch reale Analyse kommender politischer Entwicklungen in Deutschland hatten ihn bewegt, früh- und rechtzeitig aufzubrechen – als französischer Staatsbürger in Südfrankreich. Sein dort entstandener Provence-Roman »Die Witwe Bosca« ist noch im S. Fischer Verlag in Berlin 1933 erschienen. »Die Flaschenpost«, sein letzter Roman, ist in dem Exilverlag Allert de Lange in Amsterdam 1937 herausgekommen vereint mit den Werken seiner Schriftstellerkollegen, die aus ihrem Land – Deutschland – vertrieben waren, weil Hitler es als das seinige reklamiert hatte. Schickele hat sein schriftstellerisches Werk in deutscher Sprache verfaßt, bis die politischen Verhältnisse – auch seine Bücher waren in Deutschland verbrannt und verboten worden – ihm auch sprachlich eine Wende aufzwangen. Mit seinem letzten Werk »Le Retour« wandelte er sich von einem deutschsprachigen Autor in einen französischsprachigen und kehrte heim in die Sprache seiner Mutter.
René Schickele, vor etwa einem Jahrhundert vielgelesen und ein Erfolgsautor, ist heute ein vergessener. Lesen Sie ihn, könnten wir anraten, aber letztendlich muß jeder für sich selbst entscheiden, ob es ihm lohnend scheint, seine Bücher zu lesen und sein Werk damit der Vergessenheit zu entreißen.
Wir haben »Die Flaschenpost« und mehr von ihm gelesen.